Residenz auf Ekeby. Praktiken reflektieren

Wie kann man künstlerisches oder wissenschaftliches Arbeiten dokumentieren? Wie es vermitteln? Genau dies versuchen wir auf Ekeby! Wir sprechen darüber, wie wir arbeiten. Und wir sind stolz auf all die unterschiedlichen Praktiken, Vorgehensweisen und Gesichtspunkten, die uns unterscheiden und manchmal auch trennen. Aber was verbindet uns? Und was teilen wir gemeinsam?

Leben und arbeiten auf Ekeby. Interviews mit unterschiedlichen Akteuren. Eine Dokumentation unserer Arbeit.

IKER ARRUE (EUS) - Choreographer/Dancer

Entfremdet werden. Im Wald tanzen

IKER ARRUE RESEARCH'S ON EXIL. A RESIDENCY AT EKEBY 2017

M: Welcome Iker. Can you tell us more about you and your work?

I: My name is Iker Arrue. I am coming from the Basque Country. I am a choreographer and founded my own company in 2009. Still I am also collaborating with other choreographers, working as a dancer and also teaching quite a lot.

M. How would you describe your research here at Ekeby?

I: Recently, I applied for funding for a new creation which we will premiere next year in the Basque Country on September 30th, 2018. It is the beginning of my research which will be a collaboration with different companies. The original idea is to work in three different blocks. For each block one choreographer will be in charge. I will be in charge of the whole dramaturgy of the evening.The idea is not to create three independent pieces but to create a full evening piece.

Exile. And the notion of not getting rid of the past

M: And you have one connecting theme? Can you tell us more about the whole structure of the full evening piece?

I: Yes, the theme is exile. We would like to explore different ideas: What does it mean to leave your country for any reasons? What does it mean of not fitting in a particular group of people; society for instance. What are the reasons forcing one person to jump out of this group or societie? What are actually the rules you are supposed to follow? What are the consequences of following (or not following) these rules? Is there any punishment if you don’t obvey, and why? We would also like to explore the “impossible exile“: the idea of not being able to get rid of your past, of your thoughts, your history. We will also focus very much on the figure of Stefan Zweig.Discussing the work of the Austrian writer, I was very much interested in why and how he went away from Austria and Germany and the fact that he committed suicide, even-though he managed to get away from Europe and settle in Brazil during the Second World War.

M: Can you tell us a bit more about how you create movement?

I: When I am creating movement, I use very much images and objects. When I have read Stefan Zweig’s biography; it created many images in my head. I though, it would be interesting to put all those images together to create a piece. As a first research on this theme, I have worked with students of the Folkwang University of Arts in Essen with some ideas. Now I would like to develop all those first ideas further.

M: What can you say about the time working at Ekeby? Did you have a particular focus regarding your theme: on movement or just gathering other material?

I: I came with the idea of creating material. First, Ekeby is located in the middle of nature. So, I gave it a try and went to the forest to look for information to create… and I ended up dancing in the forest, which was a very interesting experience for me.

M: ..meaning dancing on your own in the forest!

I: Yes. As I mentioned before, I am usually working using images and objects when I am creating movement. Movement is like a language for me. Instead of talking you move to express something. Once I have the language, I transform this movements according to the ideas I am developing. I usually work - first creating a bunch of choreographic material - and then transform it. When I teach it to another dancers for example, we see what is not comfortable for them and we adapt it. What I liked here at Ekeby was very much the input that I had from nature: outside in the forest I was surrounded by mosquitos and I had very different reactions to the ones I would normally have or find in a studio. I also realized that in the forest, as we had rainy days, I totally avoided the contact with the floor. So I have ended up with a choreographic material which is… mainly standing, and actually it fits with this first idea of the set that we had, since there will be a clear limitation on using the floor.

An Interview by Marc Wagenbach

View the interview under: https://vimeo.com/228953510

https://www.aidoproject.com

Thusnelda Mercy (D/F) - Performerin

(c) ??

Foto: Oliver Look

Eine neue Art zu fühlen

Thusnelda Mercy über ihre Arbeit mit Pascal Merighi, Vertrauen und Samuel Becketts Text „Der Verwaiser”. Eine Residenz auf Ekeby

M: Wie habt ihr auf Ekeby gearbeitet?

T: Wir haben uns im tollen „rehearsal room“ eingesperrt und erstmal ein tour de table, wie es Pascal nennt, eine Tischrunde gemacht. Dort haben wir, und es war das erste Mal, dass ich so gearbeitet habe, das Buch: Der Verwaiser. Le Dépeupleur von Samuel Beckett gemeinsam gelesen. Das heißt, alle haben der Reihe nach einen Abschnitt laut vorgelesen, was gar nicht so einfach bei der Sprache von Beckett ist. Daher mussten wir manche Textpassagen auch zweimal lesen. Was aber rückblickend sehr gut war, weil dadurch die Wörter gleich Bilder hervorgerufen haben. Pascal hat uns dann aufgefordert zu behalten, was das Gelesene vor unserem inneren Auge abgebildet hat. Das Ziel war also zu visualisieren, was man liest. Dadurch, dass ich noch nie ein Theaterstück erarbeitet habe, ergab sich für mich eine interessante, neue Art zu fühlen.

M: Und wie habt Ihr dann diese innere Visualisierung umgesetzt?

T: Für mich war es am Anfang ein wenig konfus. Die erste Improvisation bestand darin, einfach irgendetwas zu machen, was uns bewegt hat oder von den Wort geblieben war. Ich hatte mir während des Vorlesens, immer wieder etwas notiert - Wörter, Bilder, Assoziationen. Dann hat Pascal uns in den Raum geschickt und geschaut, was passiert. Für mich war das schwierig, da ich nicht jemand bin, der sich sehr wohl fühlt zu improvisieren. Ich arbeite eigentlich lieber mit konkreten Fragestellungen und der Aufgabe, daraus etwas zu machen. Pascal stellte aber nur drei Neonlampen in den leeren Raum, die eine bestimmte Stimmung erzeugten. Für mich waren sie dennoch wie Anker, wenn ich nicht weiter wusste in meiner Improvisation.

M: Die Lampe war also auch ein Akteur?

T: Ja. Irgendwie schon. Ein Partner. Wir waren am Anfang eher isoliert. Jeder war für sich. Das lag auch am Text. Der ist etwas sperrig - dark, depressiv irgendwie. Ich habe mich am Anfang etwas in den Themen verloren. Ist das hier etwas Gesellschaftliches? Nur eine Farbe? Ein Ambiente? Oder die Personen, die jeweils beschrieben worden sind? Manchmal hat Pascal geholfen, wenn ihm etwas gefallen hat. Er hat dann laut gesagt: „Ja, mach das.“ Oder: „Gehe zu ihm!! „Bleib mal da stehen!“. Das waren die ersten Annäherungen. Dann bat er uns, einfach fünf Sätze aufzuschreiben. Er nennt das automatisches Schreiben. Egal was. Einfach, das was einem gerade durch den Kopf geht. Sehr impulsiv. Assoziativ. Dinge, vor denen ich bis jetzt immer sehr große Hemmungen hatte. Denn je mehr Freiheit ich habe, desto eingesperrter fühle ich mich. Es war eine gute Übung für mich, mir mal keine Grenzen zu setzen. Bei dieser Übung ging es nicht um richtig oder falsch, sondern darum, sich nicht selber zu beschränken. Einfach vorlesen und zuhören. Und wenn man etwas nicht verstanden hat, zu fragen: „Jetzt erkläre das mal.“.

M: Das klingt nach einem sehr intimen Prozess.

T: Ja, ziemlich. Auch, da ich sehr vom Physischen kommen. Ich fühle mich in der Bewegung sehr Zuhause. Und plötzlich habe ich Worte als Basis meiner Arbeit. Das ist eine ganz andere Welt. Aber sehr interessant.

M: Wie habt ihr das umgesetzt? In eine Körperlichkeit?

T: Das, was Pascal durch das Lesen und Schreiben provoziert hat, hat sich sofort in eine Körperlichkeit umgesetzt. Manchmal hat er Situationen auch konkretisiert, indem er gesagt hat: „ Einen Zustand, indem man keinen Raum hat.“ „Einen Zustand, wo man sich selber abstützt?“ Manchmal hat er uns auch das Buch gebracht, wenn wir mit Bewegungen gearbeitet haben und gesagt: „Ok. Jetzt lies mal was, während du das machst. Oder wenn die anderen etwas machen, lies ihnen etwas vor.“ Er hat auch mit Sprache gearbeitet. Sie dekonstruiert, den Sinn aus den Inhalten genommen. Zum Beispiel nur die Töne von Wörtern benutzt. Oder nur die Vokale, als Stimmung in der Stimme. Das war alles Neuland für mich. Im Tanztheater werde ich natürlich auch mit Sprache konfrontiert, aber nicht in dem Sinne, dass Sprache plötzlich Ton, Musik oder dein Partner ist.

Das Gespräch führte Marc Wagenbach.

Clémentine Deluy (F/D) - Performerin

Sensation

WIE ENTWICKELT MAN EIN STÜCK AUS DER ERINNERUNG HERAUS? WIE VERÄNDERT SICH DIE BEWEGUNG, wenn du sie erinnerst? ZUSTÄNDE DES ERINNERNS. TRANSFORMATIONEN DES VERGANGENEN. CLÉMENTINE DELUY spricht ÜBER IHRE ARBEIT MIT PASCAL MERIGHI. EINE RESIDENZ AUF EKEBY

M: How did you work during your time here at Ekeby?

C: This week we actually tried to enter the world of each other. We started with the text of Le Dépeupleur from Samuel Beckett. Working with a written reference, was a very new process for me. It was the first time, I took a text as a starting point for a new production. In a way this was kind of safe. Because you have a reference, you can always go back to, when you feel the need to go back there. How we worked with the text was very specific. We understood the word “text“ more as a musicality - with feelings inside, dynamics, places to go, experience to explore. What we did, was something very new, very interesting for me. We learnt a movement phrase from Pascal. And the next day he said: „Just try to remember the phrase.“ Of course we remembered the phrase. It was not long ago. But he said: „No. Just try to put yourself in the state to remember.“ For me it was like: when you see a movement and it is blurry, you dont have the sharpness. You have to bring the sharpness with your own movement inside. This awareness produced a completely new layer for me. And that was good. Because my head was busy with something. Because i had a frame of movement. A codification. But somehow, it was bringing a completely new approach of moving for me. I am used to create movement through feelings. But this was more about a >state<.

M: But did your movement also changed?

C: Of course. The movement changed completely. Because it became my own signature.

M: So basically it is a translation of movement.

C: Yes. But really of your own sensation. You took time to remember. Maybe how the feeling was? The breathing? And this was very new.

M: And what did you do with the new movement?

C: Because you have to show the new movement, you choreograph it. You fix it. That’s it. Then you are able to recall it. Pascal was talking about a particular >state< and then later to see what you might build on this. This approach was very interesting for me. Yes! It was new.

Das Interview führte Marc Wagenbach. Original in englischer Sprache

On Exil

M: Welcome Iker. Can you tell us more about you and your work?

I: My name is Iker Arrue. I am coming from the Basque Country. I am a choreographer and founded my own company in 2009. Still I am also collaborating with other choreographers, working as a dancer and also teaching quite a lot.

M. How would you describe your research here at Ekeby?

I: Recently, I applied for funding for a new creation which we will premiere next year in the Basque Country on September 30th, 2018. It is the beginning of my research which will be a collaboration with different companies. The original idea is to work in three different blocks. For each block one choreographer will be in charge. I will be in charge of the whole dramaturgy of the evening.The idea is not to create three independent pieces but to create a full evening piece.

Exile. And the notion of not getting rid of the past

M: And you have one connecting theme? Can you tell us more about the whole structure of the full evening piece?

I: Yes, the theme is exile. We would like to explore different ideas: What does it mean to leave your country for any reasons? What does it mean of not fitting in a particular group of people; society for instance. What are the reasons forcing one person to jump out of this group or societie? What are actually the rules you are supposed to follow? What are the consequences of following (or not following) these rules? Is there any punishment if you don’t obvey, and why? We would also like to explore the “impossible exile“: the idea of not being able to get rid of your past, of your thoughts, your history. We will also focus very much on the figure of Stefan Zweig.Discussing the work of the Austrian writer, I was very much interested in why and how he went away from Austria and Germany and the fact that he committed suicide, even-though he managed to get away from Europe and settle in Brazil during the Second World War.

M: Can you tell us a bit more about how you create movement?

I: When I am creating movement, I use very much images and objects. When I have read Stefan Zweig’s biography; it created many images in my head. I though, it would be interesting to put all those images together to create a piece. As a first research on this theme, I have worked with students of the Folkwang University of Arts in Essen with some ideas. Now I would like to develop all those first ideas further.

Being Alienated. Dancing in the Forest

M: What can you say about the time working at Ekeby? Did you have a particular focus regarding your theme: on movement or just gathering other material?

I: I came with the idea of creating material. First, Ekeby is located in the middle of nature. So, I gave it a try and went to the forest to look for information to create… and I ended up dancing in the forest, which was a very interesting experience for me.

M: ..meaning dancing on your own in the forest!

I: Yes. As I mentioned before, I am usually working using images and objects when I am creating movement. Movement is like a language for me. Instead of talking you move to express something. Once I have the language, I transform this movements according to the ideas I am developing. I usually work - first creating a bunch of choreographic material - and then transform it. When I teach it to another dancers for example, we see what is not comfortable for them and we adapt it. What I liked here at Ekeby was very much the input that I had from nature: outside in the forest I was surrounded by mosquitos and I had very different reactions to the ones I would normally have or find in a studio.

I also realized that in the forest, as we had rainy days, I totally avoided the contact with the floor. So I have ended up with a choreographic material which is… mainly standing, and actually it fits with this first idea of the set that we had, since there will be a clear limitation on using the floor.

Pascal Merighi (D/F) - Regisseur

(c) ??

Foto: Mitja Arzenšek

Jeder hat seine Verantwortung

Ein Gespräch mit dem Regisseur Pascal Merighi über den Produktionsprozess zu seiner am 25.10.2014 in Wuppertal(D) uraufgeführten Produktion Bachibouzouk. Fragen zu einem Postnarrativen Theater

M: Wie hast du an diesem Stück gearbeitet?

P: Als erstes, habe ich das Team zusammengestellt - jeden einzelnen Akteur. In meinem Kopf war klar, welche Personen und Fähigkeiten ich zusammenbringen wollte. Und, ich wollte den Ort vorgeben. Setting und Licht, als auch die räumliche Anordnung des Publikums. Das gesamte Setup war mir klar. Erst dann haben wir das Stück geschrieben, es gemeinsam entwickelt. Mir war wichtig, die Bühne als Teil des Arbeitsprozesses einzubinden. Drei tage lang haben auf dieser Bühne geprobt und gelebt. Dieses ständige Zusammensein, war ein wichtiger Teil des künstlerischen Prozesses. So gab es keine direkte Festlegung, wann wir anfangen oder aufhören zu arbeiten. Wir hatten keine festen Zeiten. Pausiert wurde nur, um zu essen. Der Rest war Arbeit.

M: Wie hast du deine Themen ausgesucht? Und an welchen Themen wolltest du arbeiten?

P: Ich habe gewusst, dass ich mit Themen wie zum Beispiel >desires< arbeiten wollte. Mit >instinct<.

M: Gab es einen thematischen Rahmen für dich bei diesem Projekt?

P: Ja. Der Ort, an dem wir uns begegnen - Wuppertal. Die Bedeutung des Ortes und die Geschichte der Stadt. Für mich war wichtig, dass alle wissen, wo wir sind. Daher habe ich an alle Beteiligten, eine Reportage vom WDR über Wuppertal geschickt. Ich wollte, dass alle ein wenig die Geschichte der Stadt kennenlernen – die Kriegsjahre, den Aufbau, den ständigen Kampf. Wuppertal ist eine Stadt, die stark gekämpft hat. Und es eigentlich immer wieder schaffte, sich aus dem Nichts aufzubauen.

M: Kannst du noch etwas ausführlicher beschreiben, wie jeder einzelne Akteur sich in den Prozess eingebracht hat.

P: Jede Person bringt ihre eigenen Erfahrungen in den Probenprozess ein. Von dort aus, wo sie gerade in ihrem Leben steht. Die menschen bringen oft schon sehr viel mit - die Lust an der Arbeit, die Energie. Für mich ist diese Realität, die man während des Produktionsprozesses teilt, wenn man sich begegnet und anfängt gemeinsam zu arbeiten, ganz wichtig. Ich weiß ja vorher nicht, was jeder mitbringen wird. Ich weiß nur, wie die Sache passiert. Und kenne die Ausgangssituation. Der französische Regisseur Joël Pommerat arbeitet ganz ähnlich. Bei ihm sind auch das Bühnenbild und Licht schon da. Dann erst kommen die Schauspieler, und er schreibt das Stück. Eine Thematik und Grundstimmung hat er bereits im Kopf. Das Stück selber, wird aber erst am Ort des Geschehens, vielmehr durch den Ort entwickelt. Für mich, ist dies eine Herangehensweise, die mir sehr gefällt. Ich mag die Auseinandersetzung mit einer Realität - mit der Situation eines Ortes, der Zeit und den anwesenden Personen.

M: Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen die Akteure?

P: Nicht nur die Schauspieler, alle meine Akteure haben mehrere Jobs und Aufgaben. Es gibt Tänzer, die auch mit ihrer Stimme arbeiten. Ivan zum Beispiel. Er hat eine gute Stimme für Sounds und Geräusche. Roberto ist Schauspieler, aber auch ein toller Rapper. Also waren Stimme und Sprache seine erste Aufgabe. Da er sich aber auch sehr gut bewegt und eine interessante Körperlichkeit hat, dachte ich, dass er mit Ivan ganz gut zusammen funktionieren würde. Jetzt improvisieren sie gemeinsam auf der Bühne. Eine andere Akteurin, Florence, sollte etwas schreiben. Sie kann sehr gut Improvisationen strukturieren. Ich habe ihr gesagt, dass ich es schön fände, wenn sie ihre Fantasien zu den anderen Protagonisten aufschreibt. Etwas zu Ivan, Roberto, für Thusnelda, Clementine und über Volker. Einfach ganz spontan. Und auch Roberto hat dann etwas geschrieben, obwohl es gar nicht seine Aufgabe war. Eine kleine Passage seines Textes wurde dann ins Stück übernommen. Unser DJ, Volker, war ja eigentlich nur für die Musik zuständig. Hat dann aber auch seine eigenen Bewegungen eingebracht. Durch diese gleichberechtigte Arbeitsweise verändert sich das normales Verständnis von Aufgabenbereichen und Funktionen während des Produktionsprozesses. So entstehen völlig neue Verbindungen, ein permanentes Cross-Over.

M: Wie arbeitest du? Und was ist das Konzept deiner Arbeit?

P: Ich arbeite sehr instinktiv. Das eigentliche Konzept ist dann, wie man die Leute zusammensetzt. Den Produktionsprozess baut. Ich sehe mich eher als Regisseur/Producer, denn als Regisseur/Choreograph. Ich bin nicht der, der den Leuten sagt, was sie machen sollen. Ich möchte, dass die Inhalte von den Leuten kommen. Natürlich gebe ich Anregungen, wie „komm jetzt hierher“ oder „mach das doch mal etwas länger“, ich bin ja verantwortlich für das Ganze. Dennoch trägt jeder seine eigene Verantwortung. Es ist immer meine >sensibilité<, die >Farbe<, die ich als Regisseur reinbringe. Ich probiere während der Proben, mich nicht zu stark zu involvieren, so dass ich ein bisschen mehr fühlen kann, was auf der Bühne passiert. Ich muss herausfinden, was für mich stimmt. Mit dieser Distanz ich kann sehen, ob eine Aktion auf der Bühne funktioniert, ob alles zusammenpasst. Was die Situation danach erzählt, dafür bin ich dann nicht mehr verantwortlich.

M: Hast du eine konkrete Botschaft an die Zuschauer?

P: Welcher Regisseur kann von sich schon sagen, dass er weiß, was die Zuschauer denken. Die haben ja auch ihre eigene Geschichte. Eine klare Botschaft zu haben, ist für mich nicht von Bedeutung.

M: Was denkst du, was uns miteinander verbindet? Die Zuschauer und das, was auf der Bühne passiert?

P: Wir haben automatisch eine Verbindung, weil wir alle in derselben Gesellschaft, derselben Zeit leben. Besonders hier in Europa. Das heißt, dass alles, was wir als Akteure oder Zuschauer zu dieser Geschichte beitragen, etwas über unseren Alltag und die Gesellschaft, in der wir leben, erzählt. Das postnarrative Theater bricht mit der Illusion, dass der Zuschauer verstehen soll, was der Regisseur versucht zu machen. Denn die einzige Geschichte, die wir wirklich teilen, ist die Realität, die wir zusammen an diesem Ort, während der Aufführung teilen. Ich finde, als Zuschauer hat man auch einen Job. Man ist Teil der Arbeit, der Inszenierung. Deshalb wollte ich auch unbedingt ein Publikumsgespräch in dem Stück haben.

M: Was sind dann die Spielregeln für dein „Spiel“?

P: Mir ist wichtig, dass jeder seinen Job und seine Aufgabenfelder macht. Der Rest ist frei. Ich bringe nur die Voraussetzungen für die Arbeit zusammen. Die Arbeit an sich, ist dann sehr kollektiv, sehr kooperativ. Die Leute sollen Spaß an der Sache haben. Ich bin ja kein Diktator. Und der Regisseur, ist kein Gott. Er ist einfach ein Teil des Prozesses, für den jeder seine eigene Verantwortung tragen muss.

Das Interview führte Marc Wagenbach.

Eveline Sebaa (D/F) - Regisseurin/ Schriftstellerin

(c) Marc Wagenbach

Stücke schreiben

Die Schriftstellerin und Regisseurin Eveline Sebaa über ihre Arbeit mit der Schauspielerin Jessica Sinapi. Die Entwicklung eines Stückes während der Probe. Und die Frage, warum man Kunst macht.

M: Wie hast du während deiner Residenz auf Ekeby gearbeitet?

E: Ich habe ein Konzept für ein Stück erarbeitet. Es ist aber noch nicht komplett fertig und die einzelnen Szenen sind noch nicht gesetzt. Momentan erarbeite ich mit Jessica Sinapi einen Monolog. Ich habe ihr Texte vorgegeben, die ich in eine bestimmte Szene hineinsetze und sie darin improvisieren lasse. Mich interessiert, ab welchem Punkt die Figur anfängt zu dem zu gehören, was meine Geschichte ausmachen soll. Von diesem Punkt aus, erarbeite ich dann die Inszenierung, indem ich immer wieder zurückgehe und überprüfe, ob es mit dem Konzept übereinstimmt, das ich mir am Schreibtisch gemacht habe. Und mit dem übereinstimmt, was im Probenprozess passiert. Es ist das erste Anlegen des Stückes, was uns in diesen Tagen hier beschäftigt. Das Finden der Figur.

M: Und diese gemeinsame Arbeit hilft dir dann weiter, das Stück für dich zu finden?

E: Genau. Ich habe eine ziemlich klare Vorstellung davon, was ich machen möchte. Ich brauche aber von demjenigen, der sich auf der Bühne befindet, die Bereitschaft, den Willen und das Können, mir möglichst viele Impulse zu geben, um die Inszenierung, die ich mir überlegt habe, verfolgen oder gegebenenfalls auch revidieren zu können. So erkenne ich, ob ich den Schwerpunkt an der ein oder anderen Stelle vielleicht anders setzen muss. Ich brauche das Bild des Künstlers auf der Bühne, um weiter an der Inszenierung arbeiten können. Und das Gefühl. Ich muss ein Gefühl für die Figur auf der Bühne in der Probe entwickeln. Das ist, was wir hier gerade machen.

M: Aber warum machst du eigentlich Kunst?

E: Weil ich mich in der Realität oft nicht wohl fühle. Wenn ich mich künstlerisch mit Dingen beschäftige, fühle ich mich mehr bei mir. Kunst bedeutet für mich, ein Thema, das mir zufliegt oder mich immer wieder beschäftigt, auf der Ebene meiner künstlerischen Form zu reflektieren. Das geschieht bei mir theatral oder mit Worten. Ich versuche Kunst so zu betrachten, dass sie immer ein Spiegel dessen ist, was mich gerade umgibt. Kunst ist für mich etwas sehr Subjektives - das liebe ich daran. Kunst ist frei. Mich begeistert, dass die Freiheit, die man in der Kunst hat, auch ihre größte Begrenzung bedeutet. Große Frustration und Leidenschaft sein kann, aber fast nie Zufriedenheit hervorruft.
Außer während des Probenprozesses vielleicht. Im Augenblick an sich, wenn die Kunst es schafft, sich zu entpersonalisieren und in mir eine Interpretation zulässt, die vielleicht gar nichts mit der Intention des Künstler zu tun hat, der sie geschaffen hat. Wenn das geschieht und sich eine neue Welt eröffnet - das ist Kunst für mich.

M: Und was denkst du über die Zukunft. Wer bist du im Jahre 2033?

E: Im Jahr 2033 bin ich hoffentlich eine zufriedene, immer noch suchende Frau. Ich würde mir wünschen, dass die Bäume, die ich gepflanzt habe, größer geworden sind.

Das Gespräch führte Marc Wagenbach.

IKER ARRUE

On Exil

M: Welcome Iker. Can you tell us more about you and your work?

I: My name is Iker Arrue. I am coming from the Basque Country. I am a choreographer and founded my own company in 2009. Still I am also collaborating with other choreographers, working as a dancer and also teaching quite a lot.

M. How would you describe your research here at Ekeby?

I: Recently, I applied for funding for a new creation which we will premiere next year in the Basque Country on September 30th, 2018. It is the beginning of my research which will be a collaboration with different companies. The original idea is to work in three different blocks. For each block one choreographer will be in charge. I will be in charge of the whole dramaturgy of the evening.The idea is not to create three independent pieces but to create a full evening piece.

Exile. And the notion of not getting rid of the past

M: And you have one connecting theme? Can you tell us more about the whole structure of the full evening piece?

I: Yes, the theme is exile. We would like to explore different ideas: What does it mean to leave your country for any reasons? What does it mean of not fitting in a particular group of people; society for instance. What are the reasons forcing one person to jump out of this group or societie? What are actually the rules you are supposed to follow? What are the consequences of following (or not following) these rules? Is there any punishment if you don’t obvey, and why? We would also like to explore the “impossible exile“: the idea of not being able to get rid of your past, of your thoughts, your history. We will also focus very much on the figure of Stefan Zweig.Discussing the work of the Austrian writer, I was very much interested in why and how he went away from Austria and Germany and the fact that he committed suicide, even-though he managed to get away from Europe and settle in Brazil during the Second World War.

M: Can you tell us a bit more about how you create movement?

I: When I am creating movement, I use very much images and objects. When I have read Stefan Zweig’s biography; it created many images in my head. I though, it would be interesting to put all those images together to create a piece. As a first research on this theme, I have worked with students of the Folkwang University of Arts in Essen with some ideas. Now I would like to develop all those first ideas further.

Being Alienated. Dancing in the Forest

M: What can you say about the time working at Ekeby? Did you have a particular focus regarding your theme: on movement or just gathering other material?

I: I came with the idea of creating material. First, Ekeby is located in the middle of nature. So, I gave it a try and went to the forest to look for information to create… and I ended up dancing in the forest, which was a very interesting experience for me.

M: ..meaning dancing on your own in the forest!

I: Yes. As I mentioned before, I am usually working using images and objects when I am creating movement. Movement is like a language for me. Instead of talking you move to express something. Once I have the language, I transform this movements according to the ideas I am developing. I usually work - first creating a bunch of choreographic material - and then transform it. When I teach it to another dancers for example, we see what is not comfortable for them and we adapt it. What I liked here at Ekeby was very much the input that I had from nature: outside in the forest I was surrounded by mosquitos and I had very different reactions to the ones I would normally have or find in a studio.

I also realized that in the forest, as we had rainy days, I totally avoided the contact with the floor. So I have ended up with a choreographic material which is… mainly standing, and actually it fits with this first idea of the set that we had, since there will be a clear limitation on using the floor.

Unsere Mission

1065

Hinhören. Eine eigene Stimme finden.

Nicht reden, sondern verstehen wollen.
Ohne Angst

Mutig, um neue Formate im Bereich der Kunst und Wissenschaft zu
entwickeln.

Sei JETZT! Sei ear!

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